Mittwoch, 16. Januar 2013
LIEBLING, ICH WERDE HEIRATEN!
Susann hat von dem charmanten Windhund Phil, der nicht daran denkt, sich zu binden, die Nase gestrichen voll. Deshalb nimmt sie den Heiratsantrag des seriösen Anwalts Heinz an. Er ist absolut treu – allerdings auch pingelig und langweilig …
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Das Telefon klingelte. Susann streckte den Arm aus und griff nach dem Hörer: “Susann Engelbrecht, ja bitte?”

“Hier ist Phil. Susann, ich bin wieder in Düsseldorf und habe zwei Wochen Zeit, bis ich nach München muss. Darf ich kommen, Liebling?”

Sechs Monate hatte er nichts von sich hören lassen. Das waren drei Monate zuviel gewesen. Susann räusperte sich und begann entschlossen: “Phil, ich muss dir etwas sagen …”

“Warte damit. In zehn Minuten bin ich bei dir!” Schon hatte er aufgelegt. Auch gut. Es wäre einfacher gewesen, es ihm am Telefon zu sagen - aber auch ziemlich feige. Ausserdem war sie unheimlich neugierig auf das Gesicht, das er machen würde.

Pünktlich zehn Minuten später war er da. Wie immer benutzte er nicht den Fahrstuhl, sondern stürmte die Treppe hoch. Dann stand er vor ihr, einen Strauss roter Rosen in der einen, eine Flasche Champagner in der anderen Hand. “Endlich”, seufzte er glücklich, reichte ihr die Blumen und breitete erwartungsvoll die Arme aus.

Verdammt, sah der Bursche gut aus mit seinen lachenden blauen Augen. Susann lächelte gerührt, aber diesmal war ihr Herz gewappnet. Gegen die Wiedersehensfreude und die schmerzenden Abschiede, wenn er wieder fort musste. Phil Küppers war Informatiker und hielt für eine amerikanische Computerfirma Arbeitsseminare in der ganzen Welt ab. Vor drei Jahren hatte sie als MTA an einem seiner Seminare teilgenommen, und gleich am ersten Tag hatten sie sich voneinander angezogen gefühlt wie zwei Magneten. Aber nie hatte er auch nur erwogen, sesshaft zu werden, sich ernsthaft zu binden. Phil machte kein Geheimnis daraus, dass es in seinem Herzen auch Platz für eine Joan in New-York, eine Carla in Mailand und eine Denise in Paris gab. Und Susann in Düsseldorf würde ihm jetzt endgültig den Laufpass geben.

Sie holte tief Luft, und ihre Stimme klang fest: “Liebling, ich wollte es dir schon am Telefon sagen, aber du hast mir keine Zeit dazu gelassen. Ich werde heiraten.”

Er stand da wie ein begossener Pudel, mit hängenden Schultern. “Du heiratest? Ja, wen denn?” fragte er fassungslos.

“Du kennst ihn nicht, er heisst Heinz Behrends.”

“Wie lange kennst du ihn denn schon?”

“Seit drei Monaten. Und ich habe fest vor, mit ihm glücklich zu werden.”

“Aber ich dachte, wir beide wären glücklich …”

“Ja. Wenn du da bist. Aber meistens bist du das ja nicht”, erwiderte sie nachtragend. “Und deine anderen Eroberungen erwähne ich besser gar nicht erst.”

“Und wann soll die Hochzeit stattfinden?”

Susann hatte fast Mitleid mit ihm - weil er aussah, als hätte ihn jemand geschlagen. Nichtsdestotrotz fuhr sie unbeirrt fort: “In genau zwei Monaten.” Sie drückte ihm den Strauss Rosen wieder in die Hand und schob ihn energisch zur Tür: “Geh jetzt bitte, Phil. Wir haben uns nichts mehr zu sagen.”

Er ging tatsächlich. Selbst sein Rücken sah traurig aus. Aber er würde sich schon wieder erholen - bei seinen anderen Eroberungen, dachte sie grimmig. Rasch schloss sie die Tür hinter ihm und sagte sich, dass sie ihn vergessen würde. Ja, sie würde vergessen, wie zärtlich und leidenschaftlich ihre Nächte gewesen waren und wie gut sie sich verstanden hatten. So gut, dass sie ihm viel zu lange alles nachgesehen hatte: Seine langen Abwesenheiten, in denen sie nichts von ihm hörte, sein plötzliches Auftauchen, Joan, Carla und Denise - und all die anderen, von denen sie nichts wusste.

Bei Heinz würde sie Glück und Geborgenheit finden. Heinz war Patentanwalt. Er war intelligent und kultiviert, ruhig, zuverlässig und absolut treu. Als er ihr vor zwei Wochen in aller Form einen Heiratsantrag gemacht hatte, hatte er ihr sein Herz zu Füssen gelegt und ihr sofort einen Einblick in seine Vermögensverhältnisse gewährt. Er hatte ihr erklärt, auf welche Weise er seit Jahren jede Mark, die er entbehren konnte, gewinnbringend angelegt hatte. Gleich nach der Hochzeit würden sie mit dem Bauen beginnen. Eine Villa im Grünen sollte es sein, mit einem Garten für die Kinder.
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Susann stand vor dem Spiegel, zog die vollen Lippen nach und trug etwas Rouge auf, weil sie sich ein wenig blass fand. Kaum war sie in ihre Pumps geschlüpft, klingelte es: Heinz holte sie zu einem gemeinsamen Theaterabend mit anschliessendem Restaurantbesuch ab. Sogar Blumen hatte er ihr mitgebracht. Vom Markt, weil sie dort preiswerter waren. Dass er nicht wie Phil sein Geld zum Fenster hinauswarf, gereichte ihm zur Ehre, befand Susann.

Das moderne Theaterstück hatte ausgezeichnete Kritiken bekommen, aber Susann konnte ein Gähnen nicht unterdrücken. Sie warf Heinz, der dem Geschehen auf der Bühne konzentriert zu folgen schien, einen flüchtigen Seitenblick zu. Einen Augenblick betrachtete sie sein blondes Haar, das sich schon etwas lichtete, seine hohe Stirn und den Mund mit den schmalen Lippen. Auf seine Weise sah er durchaus gut aus - aber ihm fehlte der Charme, den Phil so überreichlich hatte. Ihr kam plötzlich in den Sinn, dass es womöglich nicht das Stück war, das sie langweilte, sondern der Mann, mit dem sie es sich ansah. Und weil sie sich dieses Gedankens schämte, legte sie rasch ihre Hand auf die seine und lächelte ihm zu.

Im Restaurant sprach er über ihre Zukunft. Heinz war der Ansicht, dass eine standesamtliche Trauung im engsten Familienkreis und nur mit einigen guten Freunden völlig ausreichend wäre. Die Hochzeitsreise - irgend etwas in einer vernünftigen Preislage - würden sie später machen, im Augenblick hätte er zuviel Arbeit. Und er würde es als sehr wünschenswert ansehen, wenn sie möglichst schnell ihre Stelle kündigte: “Es ist nicht möglich, eine gute Ehe zu führen, wenn beide Partner arbeiten. Du wirst genug damit zu tun haben, den Hausbau zu überwachen und uns anschliessend ein gemütliches Heim zu schaffen. Uns und unseren beiden Kindern”, fügte er hinzu. Denn Heinz meinte, zwei Kinder seien genug in der heutigen Zeit.

Susann hatte nichts dagegen einzuwenden, und dass er alles so genau plante, sprach doch nun wirklich für ihn.

“Soll ich ein zweites Glas Wein für dich bestellen?” erkundigte er sich höflich, als er sah, dass Susann ihr Glas bereits geleert hatte - um sofort hinzuzufügen: “Obwohl es natürlich nicht gut ist, so viel zu trinken, Schatz.”

“Ich würde bitte trotzdem gern ein zweites Glas haben.”

Er bestellte es sofort. Immerhin.

Es würde eine Vernunftehe sein, das war ihr klar. Aber hielten Vernunftehen nicht länger als so manche Liebesheirat? Und oft stellte sich dann später als Dreingabe doch noch die grosse Liebe ein. Ihre Mutter behauptete das jedenfalls.

“Gestern war Phil übrigens da”, berichtete sie ihrem Zukünftigen wahrheitsgemäss. “Ich habe ihm von unseren Heiratsabsichten erzählt und ihn fortgeschickt.”

Lächelnd sah Heinz sie an: “Dann können wir das Thema ja endgültig begraben, mein Schatz.”
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Susann begoss die Entenbrust im Backofen. Sie hatte Heinz zum Abendessen eingeladen. Er fand, dass sie eine ausgezeichnete Köchin war und es bei ihr viel besser schmeckte als in einem Drei-Sterne-Restaurant. Als es klingelte, mixte er gerade einen Drink.

“Ich geh hin”, rief er ihr zu.

Kurz darauf steckte er seinen Kopf durch die Küchentür: “Es war dein Ex, Schatz.”

Susann schaute ihn überrascht an: “Phil?”

“Ja, aber ich hab ihn gar nicht erst ‘reingelassen - schliesslich hat er hier nichts mehr zu suchen, nicht wahr?”

“Was? Und du hast ihn einfach fortgeschickt?”

“Susann, wir sind verlobt. In einer Woche bin ich dein Ehemann”, erklärte er schockiert.

Endlich tauchte sie aus dem seltsamen Betäubungszustand auf, der in den letzten Wochen von ihr Besitz ergriffen hatte. Sie trat einen Schritt an ihn heran und stemmte die Hände in die Hüften. “Ich weiss. Aber noch bin ich hier in meiner Wohnung, und noch sind wir nicht verheiratet. Trotzdem entscheidest du schon alles für mich. Wie wird das erst nach unserer Heirat sein?”

Er hob überrascht die Augenbrauen: “Was ist denn los, Susann? Du hast doch mit ihm Schluss gemacht, jedenfalls hast du mir das erzählt.”

“Es geht nicht darum”, funkelte sie ihn an, “es geht um die Tasache, dass ich für mich selbst sprechen kann!”

Einen Moment stand er wie erstarrt da, dann sagte er mit schmalen Lippen: “Streit ist mir zuwider, Susann. Du scheinst heute einen schlechten Tag zu haben, es ist wohl besser, wenn ich gehe. Ruh dich aus und ruf mich an, wenn du dich besonnen hast.”

“Das habe ich schon, Heinz. Ich … ich kann dich nicht heiraten. Verzeih’ mir bitte.”

Als er endlich mit beleidigtem Gesicht gegangen war, nachdem er ihr vorgerechnet hatte, was ihn die geplatzte Hochzeit kosten würde, drehte sie den Backofen aus, stellte die verkohlte Entenbrust ins offene Fenster und sank entmutigt auf einen Stuhl.

Was nun? Sie hatte alles falsch gemacht. Der Mann, den sie noch immer liebte - nämlich Phil - war als Ehemann völlig ungeeignet. Und für Heinz, der sie hatte heiraten wollen, empfand sie keine grosse Liebe. Zu allem Überfluss hatte sie keinen Job mehr, denn sie hatte schon gekündigt. Schliesslich stand sie auf, griff nach ihrer Jacke und steckte den Schlüssel ein. Sie brauchte frische Luft.

Kaum war sie unten, hielt mit kreischenden Bremsen ein Wagen am Bordstein. Susann erschrak zu Tode, doch dann erkannte sie Phil, der aus dem Wagen sprang und auf sie zukam.

“Was… was machst du denn hier?” stotterte sie.

“Ich bin zurückgekommen, um mit dir zu sprechen. Bitte, hör mich an, Susann. Nachher kannst du mir sagen, dass du mich wirklich nicht mehr willst, aber ich möchte es von dir hören, nicht von deinem Verlobten.” Phil holte tief Luft. “Ich war in München, in Mailand und in Budapest, um dort meine Seminare abzuhalten. Ich hatte mir so gewünscht, Budapest zu sehen …”

“Und die Ungarinnen. Die sollen ja sehr temperamentvoll sein, nicht?” bemerkte Susann bissig, während ihr die Tränen in die Augen stiegen.

Er tupfte sie sanft fort: “Erinnerst du dich an Joan, Carla und Denise? Ich sehe sie längst nicht mehr. Von dem Tag an nicht mehr, als mir klar wurde, dass ich dich liebe - und das war vor drei Jahren.”

“Aber Phil, warum hast du mir das nicht eher gesagt?” fragte sie fassungslos.

Er hob die Achseln: “Aus Selbstschutz, vermute ich. Ich hatte mir geschworen, nie zu heiraten. Meine Eltern haben sich scheiden lassen, als ich zehn Jahre alt war. Und vorher flogen die Teller nur so rum.” Er musterte sie: “Sag mal, was machst du eigentlich hier unten?”

“Ich hielt es nicht mehr in der Wohnung aus. Ich habe Heinz gesagt, dass ich ihn nicht heiraten kann.”

“Bin ich daran schuld?”

“Ja, aber du hast mich vor einem Leben voller Langeweile gerettet.”

Nervös trat er von einem Bein auf’s andere. “Ich bin fast verrückt geworden, je näher dein Hochzeitstag rückte. Vor zwei Wochen habe ich mich um eine Stelle hier in Düsseldorf beworben, und heute den Bescheid bekommen, dass ich sie bekommen habe. Nächsten Monat fange ich an. Liebling, ich möchte nie wieder von dir getrennt sein. Susann, bitte heirate mich!”

Sie standen sich gegenüber, und Susanns Herz hüpfte vor Freude. Er hatte sich wirklich geändert, dachte sie glücklich. Irgendwie sah er erwachsener aus, aber seinen Charme hatte er Gott sei Dank nicht eingebüsst. Und er küsste noch immer so wundervoll wie früher.

ENDE

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